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World-Tour 2017 – Kirgistan

Tag 42 – Donnerstag, 28.09.2017 – Von Taschkent in Usbekistan nach Osch in Kirgistan

Nach dem super Frühstück sage ich Tschüss zu Brigitte und Yvonne die gestern Abend endlich ihre Stoßdämpfer vom Zoll an die Werkstatt geliefert bekommen haben.  In zwei Wochen werde ich die hoffentlich wieder an der chinesischen Grenze für “Crossing China” treffen. Meine Fahrt führt in östlicher Richtung aus Taschkent. Trotz des miserablen Sprits läuft die Bayerin recht gut. Aber ich drehe sie auch nicht höher als auf 4000 Umdrehungen.
Als Tagesziel habe ich mir eine der größeren Städte im Ferganatal gesetzt. Das Ferganatal erstreckt sich von Tadschikistan über Usbekistan nach Kirgistan. Es ist aber längst nicht so malerisch wie der Name aussagt. Riesige Obst-, Gemüse- und Baumwollplantagen durchfährt man hier. Aber auch Erdöl wird hier gefördert und Seide und Wein angebaut. Zum Wandern oder länger Verweilen macht die Gegend für mich keinen einladenden Eindruck. Deshalb beschließe ich wenn möglich das komplette Tal zu durchfahren und die Grenzstadt Osch im Nachbarland Kirgistan zu erreichen. Auf der Nord- und Südseite des Tals erstrecken sich Gebirgszüge mit über 3000 Meter hohen schneebedeckten Bergen. Flachland fahren also ade. Endlich mal ein Pass mit Kurven! Während der Talfahrt überschreitet auch der Tacho die 30000 km Marke. Riesige Schafherden wandern auf der Autobahn zu Tal, hier ist wohl heute Almabtrieb. Und wie überall in Usbekistan alle 40-50 km ein Checkpoint. Drei oder vier Mal sind die Beamten auf mich zugekommen um mich zu kontrollieren (oder vermutlich nur abzuzocken). Habe die aber alle links liegen lassen und bin einfach weitergefahren. An einem Checkpoint aber müssen alle halten, auch ich. Da wird der Pass, Fahrzeugschein (“passport motorbike”) und die Hotelbestätigungen kontrolliert. Die sollte man gut aufbewahren denn die Usbeken wollen genau wissen wo man sich aufgehalten hat.
Was mich beunruhigt ist, daß das Geräusch am Hinterrad lauter wird. Die vergangenen Tage war nur ein leises Surren und Summen zu hören. Das wird doch wohl hoffentlich nicht ein Radlager sein. 35 km hinter der letzten Stadt Andijan in Usbekistan ist dann die Grenze nach Kirgistan. Die Sonne steht schon tief am Horizont als ich die um 18 Uhr erreiche. Die Abfertigung verläuft ähnlich der bisherigen. An der usbekische Grenze den Pass zeigen dann öffnet sich ein Stahltor. Die Usbeken wollen wieder eine Kopie des Reisepasses sowie eine Kopie des KFZ-Scheins von mir. Darauf bin ich vorbereitet, die habe ich einstecken. Auch die Zollerklärung bei Einreise und die Deklaration zum Fahrzeug habe ich nicht verloren oder verlegt. Zur Ausreise muss man ne neue Zollerklärung ausfüllen. Hier gilt es zu beachten daß die Höhe der mitgeführten Devisen nicht größer sein sollte als das was auf dem Einreisezettel steht, sonst gibt’s unangenehme Fragen. Die forschen Fragen kommen dann doch von einem jüngeren “Obergrenzer”: Was ich in Usbekistan gemacht habe, wie ich heiße, wie alt ich bin, ob ich verheiratet bin, warum nicht?, wieviele Kinder? Warum keine? Was hat das den zu interessieren ??? Irgendwann gehen ihm die Fragen aus und ich marschiere zur Passkontrolle (Immigration). Anschließend Koffer öffnen zur Fahrzeugkontrolle. Ob ich Drogen oder eine Kalaschnikov dabei habe? Natürlich nicht – wo soll ich die unterbringen, bitte? Das war’s dann auch mit den Usbeken.
Ein Apell muss ich allerdings noch loswerden bevor ich das Land verlasse:
Bitte, bitte ihr Usbeken baut endlich ordentliche Straßen und immer wieder mal ne Tankstelle mit gutem Benzin dazwischen !!!
Und vor allem lernt mal rücksichtsvoll Auto zu fahren !!!
Kirgisische Grenze:
Einfahrt in die Grenzabfertigung ohne Passkontrolle. Dann gleich zur Immigration, die geht schnell denn es ist kaum Betrieb heute Abend. Anschließend das Fahrzeug registrieren (Pass, Fahrzeugschein). Der junge Kirgise spricht gut englisch und erklärt mir daß ich 500 kirgisische Som (6,50 Euro) bezahlen muß für das Moped. Ich habe aber noch kein kirgisisches Geld. Also muss ich raus aus Grenzabfertigung und tausche nur 20 Dollar ann einer Wechselstube um da die nen schlechter Kurs bieten. Wieder zurück an der Grenze wird ein 500 Som-Schein dann in einen grünen Automaten geschoben und das KFZ-Kennzeichens eingegeben: Der Automat spuckt 5 Quittungen aus. Da ich des kyrillischen nicht mächtig bin hat das der Kirgise für mich erledigt. Sein Kollege aber arbeitet dann ne halbe Stunde an den Papieren herum bis er sie endlich fertig hat und ich raus darf aus der Grenzeabfertigung und rein nach Kirgistan! Das fünfte und wahrscheinlich letzte neue Land für mich auf dieser Reise. Auch die Uhr muss wieder mal eine Stunde vorgestellt werden. Somit sind es jetzt fünf Stunden vor MEZ. Glücklicherweise liegt Osch gleich nach der Grenze, es sind nur 10 km bis zur Innenstadt. Habe trotzdem lange gesucht bis ich das TES-Hostel gefunden habe. Das hat mir jemand in Taschkent empfohlen. Das Navi hat sich um 200 Meter verzockt. Pro Nacht nehmen die 12 US$ im 3-Bett Zimmer.  Jetzt noch schnell den Pizzaservice, ein Bier für 50 Cent und ab ins Bett.

 

 Tag 43 - Freitag, 29.09.2017 - Osch

Nachdem ich bis auf zwei Tage in Russland die vergangenen sechs Wochen nur Sonne und Sommer hatte, hat mich heute auch der Herbst eingeholt. In Osch ist es kalt und regnerisch. Also beschließe ich noch nen Tag hierzubleiben. Wenigstens steht die Bayerin unter einem großen Vordach im Trockenen. Nach Ausbau des Hinterrades bestätigt sich leider die Vermutung mit dem Lagerschaden. Ich werde wohl einen neuen Lagersatz von zu Hause in die Hauptstadt Bischkek einfliegen lassen müssen.
Hier im TES-Hostel sind hauptsächlich Radler aus aller Welt (viele Deutsche) einquartiert. Die haben alle grade den berühmten Pamir-Highway mit Pässen bis über 4600 Metern hinter sich gebracht. Natürlich sind die superglücklich daß sie es geschafft haben. Kaum einer schafft es die drei Wochen Strapazen ohne Krankheit zu überstehen sagen die. Und die Strapazen sind denen noch ins Gesicht geschrieben: Bärtig, unrasiert und ausgemergelt mit eingefallenen Wangen und sonnengebrannter Haut. Unterkünfte gibt es auf dieser Strecke wenige. Heißt die haben viel zelten müssen. Und das bei Minus 7 Grad (im Zelt!).
Ansonsten habe ich mir die bei diesem Wetter doch sehr triste und trostlose Stadt angesehen und wenigstens meine noch übrigen usbekischen Som in kirgisische Som umgetauscht. Im Vergleich zu den Usbeken haben die hier wenigstens Geldautomaten die direkt einheimische Währung ausspucken und man nicht Bargeld tauschen muß. Keine fünf Gehminuten vom Hostel befindet sich gleich neben dem baufälligen Stadion ein neues Fitness-Center mit Sauna. Gute Gelegenheit dem schlechten Wetter etwas abzugewinnen.

 

 Tag 44 - Samstag, 30.09.2017 - Auf Ersatzteilsuche

Der Regen hat aufgehört aber es ist noch nass und herbstlich kühl. Deshalb bleibe ich noch nen Tag und versuche die defekten Radlager hier aufzutreiben. Immerhin ist Osch die zweitgrößte Stadt Kirgistans. Drei Kilometer entfernt vom Hostel gibt's nen "Bike Shop Corner" gleich neben dem Bazar. Also laufe ich da mal hin. Dort gibt es wirklich alles zu kaufen, nur keine Originalware. Imitate aus China haufenweise. Inmitten des Alteisens auch eine große Gitterbox mit gebrauchten, meist verrosteten Kugellagern. Da brauche ich nicht zu suchen. Ich zeige dem Typ die Maße der Lager und mach ihm klar daß ich neue will und kein Alteisen. Er geht los und kommt fünf Minuten später mit drei neuen Lagern wieder zurück. Und die Schieblehre sagt auch daß die Maße stimmen. Es sind halt keine SKF-Lager sondern chinesisches Fabrikat. Ich kaufe sie trotzdem für 6 Euro damit ich wenigstens mal welche habe.
Das Wetter klart auf und teilweise kommt die Sonne durch. Da hätte ich doch heute schon weiterfahren können. Jetzt ist es zu spät. Also steige ich auf den etwa 100 Meter hohen Berg inmitten der Stadt um mal die Umgebung zu sehen. Oben treffe ich das junge deutsch Paar aus dem Hostel. Die sind mit einem 30 Jahre alten Feuerwehrauto von Mercedes unterwegs. Haben auf der Pritsche einen Wohnaufbau aus alten NVA-Beständen montiert und fahren so durch die Welt - auch nicht schlecht. Zurück im Hostel fahre ich die BMW zur Tankstelle um mir diesen Gang morgen früh zu sparen. Gleich hinter der Tanke sind viele Läden mit Autozubehör. Aber die noch fehlenden Simmeringe zu den Radlagern finde ich auch hier nicht.

 

 Tag 45 - Sonntag, 01.10.2017 - Auf dem Weg nach Bischkek

Nach zwei Tagen in Osch wird auch endlich das Wetter wieder besser. Hier gibt es nichts zu sehen. Ich mache mich nach dem Frühstück auf den Weg nach Bischkek, der Hauptstadt Kirgistans. Mit knapp 700 km ist das jedoch ne Zweitagesetappe. Der Rezeptionist vom Hostel schlägt vor auf halber Strecke in Toktogul zu nächtigen. Da gibt es Hotels und Guesthouses. Schon nach Verlassen der Stadt Osch kann man am Horizont die 4000er Berge des Fergana Ranges mit ihren schneebedeckten Gipfeln bewundern. Wäre nicht ein Landzipfel von Usbekistan im Weg den man umfahren muss so könnte man sich einen Großteil der Strecke sparen. An einem Abzweig will grade beim Vorbeifahren ein weißer Mercedes-LKW mit Wohnaufbau in die Straße einbiegen. Bei genauerem Hinsehen hat der ein deutsches Kennzeichen: WUG. Das steht für Weißenburg-Gunzenhausen, also praktisch meine Nachbarn in Bayern. Ich halte an und die halten an. Und wir unterhalten uns. Sie haben noch einen etwa 4-jährigen Sohn dabei und sind mal ein Jahr mit dem LKW unterwegs - nicht schlecht!
Tankstellen gibt's auf dem Weg wahrlich genug. Und die haben mindestens 92 Oktan Benzin, wenn nicht 95. Eine Sorge weniger. War Usbekistan noch weitestgehend Flachland so ist die Landschaft in Kirgistan abwechslungsreicher, aber sehr ländlich. In Kasachstan standen Kamele als Slalomstangen auf der Straße, in Kirgistan sind es Kühe. Kein Kamel weit und breit. Zu schnell fahren sollte man auch nicht denn die Polizei macht hier viele Radarkontrollen. Wenigstens ist die Straße in meist gutem Zustand. Da können sich die Usbeken ne Scheibe abschneiden. Der schönste Abschnitt der Etappe führt etwa 50 km durch die Berge an einem Stausee entlang. Endlich mal wieder Kurve an Kurve fahren und nicht immer nur gradeaus. Das schönste Panorama bietet sich jedoch am Toktogul See mit seinen schneebedeckten Bergen im Hintergurnd. Gegen 17 Uhr erreiche ich dann die Kleinstadt Toktogul und finde wenig später auch das Kagan Guesthouse. Die haben auch noch ein Bett für mich frei und bieten Abendessen und Frühstück - Klasse! Noch im Hostel sind fast nur Franzosen die hier in der Gegend Trekkingtouren unternehmen.

 

 Tag 46 - Montag, 02.10.2017 - Winter und Wegelagerer

Nach dem guten und reichhaltigen Frühstück im Kagan Guesthouse (die Mama kocht selbst) komme ich gegen halb neun Uhr los. Der zweite Abschnitt der Fahrt in die Hauptstadt Bischkek ist kürzer als gestern aber dafür muss ich zwei Pässe überqueren. Nur wenige Kilometer nach Toktogul führt die gut ausgebaute Straße schon in die Berge. Endlich mal ein paar Kurven zu fahren. Da stört es mich auch nicht wenn groß angekündigt ist daß man nur 60 fahren darf. Denn solche Kurven sind für höhere Geschwindigkeiten gedacht. Das geht auch zehn Kilometer weit gut. Hundert Meter voraus stehen sie dann doch in den Büschen, die kirgisischen Wegelagerer. Der der geblitzt hat ist in zivil gekleidet, den konnte ich nicht sehen. Sie winken mich heraus, ich aber fahre vorbei und lasse sie stehen. Nach der nächsten Kurve halte ich an und warte ich was passiert. Und tatsächlich sind die mir im Streifenwagen gefolgt. Abzuhauen hätte also nix gebracht. Der eine Beamte will meinen Führerschein und Fahrzeugschein sehen. Ich zeige sie ihm, er aber nimmt sie mir sofort aus der Hand. Das ist schlecht, jetzt hat er ein Druckmittel gegen mich. Ich soll mit zurückkomen zur "Blitzstelle" wo der Zivile noch steht. Der zeigt mir das Foto: 83 km/h. Ich sehe ein daß ich zu schnell war tue aber so als ob ich das Schild nicht gesehen hätte. Englisch sprechen die kaum. Die Diskussionen beginnen. Jeder hat etwas was der andere gern hätte. Der Bulle meinen Führerschein und Fahrzeugschein und ich MEINE Dollars die er für die SEINEN hält. Der Oberbulle holt nen Zettel raus und schreibt ne Zahl drauf: 500 Dollar !!! Der spinnt wohl !!! Ich bezahl doch nicht 2km Autobahn in Kirgistan. Ich sage ihm so viel Geld habe ich nicht bei mir. Das glaubt er mir natürlich nicht. Dann ziehe ich meinen zweiten Geldbeutel für diese Situationen raus und zeige den Inhalt: 30 Dollar und ein paar Som. Er lächelt nur müde und schüttelt den Kopf. Wir verhandeln weiter. "Ich heiße Max" sagt er - "und ich Moritz" antworte ich. Aber das versteht er nicht, er kann kein deutsch. Irgendwann kommt der zweite Bulle dazu mit einer Tüte Nüssen die er einem fahrenden Händler abgekauft hat. Er gibt mir auch ne Handvoll. Also essen wir erst mal Nüsse um die Gemüter zu beruhigen und halten Smalltalk über mein Motorrad. Als die Tüte leer ist geht es in die zweite Verhandlungsrunde. Der Oberbulle vermindert seine Forderung auf 200 Dollar - immer noch zu viel. Ich hab nicht mehr sage ich ihm, und zeige die Kreditkarte. In Bischkek kann er mehr haben. Er glaubt mir wieder nicht und gibt mir den Fahrzeugschein zurück, den Führerschein behält er. Ich kann fahren sagt er. Den Führerschein wird er per Post nach Deutschland zurücksenden. Das geht gar nicht! Irgendwann sagt er etwas in kirgisisch zu seinen Kollegen. Die tun dann so als ob sie sich in den Streifenwagen setzen und wegfahren, mit meinem Führerschein. Ich stelle mich vor's Polizeiauto. Ihr fahrt hier nicht weg mit meinem Führerschein, Jungs! Sie steigen wieder aus und die dritte Verhandlungsrunde beginnt. Der Oberbulle ist jetzt bei 150 Dollar. Ich bin mir sicher wenn ich noch zwei Stunden hier weiter verhandle bleibt es bei den 30. Aber ich muss noch über zwei Pässe fahren und das bei Tageslicht. Also krame ich irgendwo aus der Tasche noch einen 20 Dollar Schein raus und lege ihn obendrauf - mein letztes Angebot. Bis er dann endlich damit einverstanden ist vergehen nochmal 20 Minuten, dafür gibt's keine Quittung. Das war ja klar! Der ganze türkische Bazar (und Kirgistan gehört zu den Turkstaaten) hat mich ne Stunde Zeit und 50 Dollar gekostet. Und ich bin um eine Erfahrung reicher. Beim nächsten Mal bekommen die keine Originalpapiere mehr zu sehen sondern nur noch Fotokopien. Dann sind die Original halt im Hotel.
Dann fahre ich halt mit 60 und nicht mehr mit 80 Sachen den Pass hinauf. Ist auch besser so denn mit jedem Höhenmeter wird es kälter. Nur gut daß die Vorbesitzerin der BMW ne Griffheizung einbauen hat lassen. Die kann ich jetzt gut gebrauchen. Auf der Passhöhe ist es bitterkalt. Die Straße ist zwar frei und trocken dafür ist ringsrum alles schneebedeckt. Also schnell wieder den Pass auf der anderen Seite runter - nur da geht es nicht bergab. Die Straße führt über 50 Kilometer auf einem Hochplateau entlang. Also frieren. Am Ende des Plateaus dann der zweite Pass: In Serpentinen führt die Straße nochmal ein paar Hundert Höhenmeter nach oben, ist aber immer noch trocken und gut befahrbar. Oben angekommen ein etwa 2 km langer Tunnel, ganz schlecht beleuchtet. Der darf von PKW's immer beidseitig, von LKW's nur wechselseitig befahren werden. Die Straße im Tunnel ist grottenschlecht und man sieht die Löcher und Rillen nicht. Ich fahre halt langsam durch und werde ständig von den Autos im Affenzahn überholt. Das könnten Usbeken sein so wie die heizen. Am Tunnelausgang angekommen bläst mir ein eiseiger Wind ins Gesicht und ich traue meinen Augen nicht: vor mir eine geschlossene Schneedecke! Was tun? Ich muss da durch oder wieder umdrehen. Ein Zurück aber gibt es nicht. Hinter mir Hupen die LKW's schon. Außerdem kommt noch dazu daß die Strecke nicht nur bergab führt sondern auch seitlich abschüssig ist. Zentimeter um Zentimeter lasse ich die Bayerin langsam durch den Schnee rollen und stehe ganz leicht auf der Hinterbremse. Das geht ungefähr 20000 Zentimeter gut. Weiter vorne sehe ich schon das Ende der Schneewehen. Da ist nur noch Match auf der Straße. Bis uns eine starke Windböe von rechts erfasst und die BMW nach links drückt. Die rutscht weg und ich kann sie nicht mehr halten - wir liegen beide im Schnee. Schätze das war der erste Kontakt den die Bayerin mit dem weißen Pulver hatte. Ich rapple mich auf und stelle das Moped wieder auf die Räder. Jetzt wird von Hand geschoben. Auch das geht nicht lange gut. Ich rutsche weg und sie liegt wieder da. Es ist das erste mal auf dieser Reise daß ich mich frage was ich hier überhaupt will. Ein LKW-Fahrer hat Mitleid mit mir. Er steigt aus und hilft mir die Karre hundert Meter weiter raus aus dem Schnee zu bugsieren. Ich danke im tausendmal und betrachte den Schaden. Es ist nichts festzustellen. Nur vorne rechts hängt der Blinker weg. Der ist aber nur gesteckt und sofort wieder angebracht. Die weitere Fahrt den Pass hinunter und weiter nach Bischkek verläuft problemlos. Auch das "Easy Life" Hostel finde ich recht schnell. Aber auch hier wie in vielen anderen Hostels hängt kein Schild am Eingang. Da musst du erst mal die Nachbarn fragen wo das denn ist. In diesem Fall im Obergeschoss einer Kneipe. Der Eingang befindet sich versteckt auf der Seite! Im Vergleich zu den Bergen ist es in Bischkek noch spätsommerlich warm. Vor zehn Tagen habe ich noch in der Wüste geschwitzt um heute im Schnee zu fahren. So schnell ändern sich hier die klimatischen Bedingungen.

 

 Tag 47 - Dienstag, 03.10.2017 - Großer Kundendienst an der F650

Nur um mal Kirgistan zu sehen und durch's Land zu fahren bin ich nicht nach Bischkek gekommen. Sondern auch um die defekten Radlager am Hinterrad der Bayerin zu ersetzen. Und in Osch habe ich nur chinesische Imitatlager gefunden und keine Simmeringe dazu. Und bevor ich die lange und teuer aus Deutschland einfliegen lasse (der ADAC-Plus hätte sogar die Kosten übernommen) versuche ich hier mein Glück für Ersatzteile und Reparatur. Der junge Nurali vom Hostel hat nen Freund der in einer kleinen Reparaturwerkstatt arbeitet die auch Motorräder reparieren. Und die gibt es hier nicht viele da es kaum Motorräder hat. Der Typ von der Werkstatt heißt Roma und seine Garage liegt etwa 3 km weg. Er zeigt mir auf Maps.Me wo das zu finden ist. Also setze ich mich aufs Moped und fahre dorthin. Vor der Baracke stehen alle möglichen Fahrzeuge herum nur kein Auto: Scooter, Quads und sogar Schneemobile. Roma ist heute nicht da, aber sein Kompanion Alexander. Der ist groß, schlank und etwa Mitte 20. Und er spricht einigermaßen englisch - gut so. Er kennt den Typ Motorrad sagt er und weiß wie man die Lager wechselt - noch besser. Außerdem kennt er nen Laden um die Ecke der solche Lager hat und vielleicht auch die Simmeringe dazu - TOP !!! Wir bauen das Hinterrad aus und er zerlegt es. Die Lager sind etwas schwer herauszuschlagen aber nach ner gewissen Zeit hat er den Job erledigt. Jetzt gehen wir los zum Ersatzteilladen. Und wir haben Glück denn die haben nicht nur beide Lager vom Markenhersteller NTN sondern auch die Simmeringe. Und das alles für 10 Euro. Zurück in der Werkstatt macht er sich gleich daran alles wieder (richtig!) zusammenzubauen und die Kette zu spannen. Außerdem reinigt er mir bei der Gelegenheit noch den Luftfilter. Die ganze Aktion hat zwei Stunden gedauert und etwa 17 Euro gekostet. Den Mann muss man sich merken.
Nur einen Block weiter ist ne Waschanlage. Die ist mein nächstes Ziel denn die Karre sieht nach den Schnee- und Matschumfaller von gestern ganz schön übel aus. Einmal einseifen und Komplettwäsche bekommt man hier für 150 Som, etwa 1,80 Euro. Und die haben sich gelohnt. Denn die BMW ist wie aus dem Ei gepellt und sieht aus wie neu! Ein rundum erfolgreicher Tag also.

 

 Tag 48 - Mittwoch, 04.10.2017 - Wiedersehen mit Beni

Gestern Abend gab's nen Wetterumsturz hier, zum negativen leider. Regen und Kälte haben in Bischkek Einzug gehalten. Das heißt dass es in den Bergen und natürlich auch auf den Pässen schneit. Habe gestern Abend spasshalber mal wieder Beni aus der Schweiz kontaktiert. Mit ihm bin ich ja schon ein Stück in Russland und Kasachstan gefahren und er ist auch einer der "Crossing China" Gruppe. Und wo ist der gerade? Natürlich hier in Bischkek. Irgendwann musste er hier durchkommen da er kein Visum für Usbekistan hat. Wir verabreden uns für heute Nachmittag in einem Cafe um Pläne für die Fahrt an die chinesische Grenze zu schmieden. Denn momentan ist, so scheint es, der einzige Weg über die Berge zumindest für Motorräder nicht befahrbar. Es sind zwar noch ein paar Tage Zeit aber von Osch aus ist ein noch höherer Pass mit 3500 Metern zu fahren - das wird schwierig. Ich hätte noch die Möglichkeit von Bischkek über Kasachstan wieder nach Taschkent in Usbekistan die Berge zu umfahren um von dort denselben Weg nochmals nach Osch zu nehmen. Das aber würde bedeuten noch drei Mal Landesgrenzen zu überqueren oder genauer gesagt sechs Grenzabfertigungen mit dem Fahrzeug zu machen. Dazu habe ich absolut keine Lust. Sieht so aus als ob wir das schlechte Wetter hier aussitzen müssen. Spätestens am Samstag soll es wieder besser werden. Bis in den November hinein, so hat man mir gesagt, kann das Wetter hier ständig umschlagen. Also auch wieder über 20 Grad warm werden. Bevor dann im Dezember der Winter endgültig Einzug hält. Eine weitere Möglichkeit für uns über den Pass zu kommen wäre es, die Mopeds auf einen kleinen Transporter zu laden und so unbeschadet über den Pass zu bringen. Damit könnte man auch den Wegelagerern ein Schnippchen schlagen und ne lange Nase machen. Und so ein Transporter zu mieten kostet etwa 500 Som pro Stunde, 6.25 Euro, absolut machbar.
Den ganzen Tag regnet es in Bindfäden, erst am Abend hört es auf. Hoffentlich ein gutes Zeichen. Im Hostel kommen immer mehr "gestrandete" Radfahrer an. Der ganze Wohnbereich steht voller Drahtesel und Packtaschen. Die Radler sehen alle sehr mitgenommen aus. Motorrad Fahren bei dem Wetter ist ja schon gefrevelt aber Radfahren - und dann in der Kälte zelten. Die müssen schon verrückt sein!

 

 Tag 49 - Donnerstag, 05.10.2017 - Auf der Suche nach warmen Klamotten

Die gute Nachricht zuerst: es hat nicht mehr geregnet heute Nacht und die Straßen sind trocken. Die schlechte Nachricht: Es ist kalt und die WebCam auf dem Pass verheißt nichts Gutes. Die Straßen sind wohl schneefrei aber möglicherweise vereist. Für nächste Woche ist wieder warmes Wetter mit Temperaturen über 20 Grad vorhergesagt. Solange können wir nicht warten da wir nicht nur nach Osch zurück müssen sondern nach weiter ganz in den Süd-Osten Kirgistans, ins Dreiländereck nach Sary-Tash. Von wo aus es dann Richtung China geht.
Den Morgen verbringe ich im Internet-Cafe um die Ecke. Das habe ich gestern zufällig entdeckt. Denn das Internet im Hostel ist eigentlich nicht zu gebrauchen. Am Mittag fahre ich dann rein in die Innenstadt um mich mit Beni zu treffen. Dazu nimmt man am besten einen der vielen weißen Minibusse die hier den Personentransport erledigen. Genauer gesagt sind das umgebaute Mercedes Sprinter. Man steigt zur Beifahrertür ein, bezahlt beim Fahrer 10 Som und sucht sich nen Platz. Wenn man aussteigen will gibt man dem Fahrer ein Zeichen. Meine Linie fährt der Bus Nr. 243. Mit Beni laufe ich dan weiter zum Osch-Bazar, einem großen, etwas unübersichtlichen Markt in dem es fast alles zu kaufen gibt. Wollte noch ein paar warme Sachen kaufen um der Kälte auf den Pässen zu trotzen. Socken und ne Weste habe ich gefunden, warme Fell-Handschuhe leider nicht.
Am Nachmittag kommt dann tatsächlich wieder die Sonne heraus ohne jedoch die Tempratur merklich noch oben zu treiben. Viel mehr als 10 Grad hat es hier nicht. An die Temperaturen auf dem Pass mag ich erst gar nicht denken. Der junge Nurali vom Easy-Life Hostel ist echt hilfsbereit. Er hat heute acht Transportunternehmen abtelefoniert um sich Preise für den Transport von 2 Motorrädern über den Pass einzuholen. Die wollen jedoch alle 8000 Som (100 Euro) pauschal. Sie sagen wegen des Wetters wäre es derzeit gefährlich. Dann fällt diese Variante für uns erstmal flach. Wir wollen morgen früh losfahren und mal sehen wie weit wir kommen. Umdrehen kann man immer.
Eigentlich wollte ich ja hier in Kirgistan noch ein Stück weiterfahren zum großen Ysyk-Köl See und der Stadt Karakol, nur unweit davon entfernt. Der See ist ein Natur Reservat und ungefähr doppelt so groß wie der Bodensee. In Karakol hat ein Holländer mit seiner kirgisischen Frau ein Gästehaus und bietet viel Outdoor Aktivitäten an. Den habe ich im Januar auf der CMT in Stuttgart getroffen. Aber leider führt der einzige Weg zurück nach Osch und an die chinesische Grenze über die Berge. Und das Risiko nicht mehr rechtzeitig über den Pass zu kommen ist mir zu groß.

 

 Tag 50 - Freitag, 06.10.2017 - In Eiseskälte zurück nach Toktogul

Normalerweise beginne ich die Tagestouren so früh wie möglich um dann am Nachmittag rechtzeitig schon am Ziel zu sein. Nicht jedoch heute. Denn Beni und ich wollen versuchen den Pass Too-Ashuu zu bezwingen. Der liegt auf 3124 Metern Höhe und da hat es gestern bestimmt noch geschneit. Das ist genau der Pass an dem ich die Bayerin wegen Schneeglätte zwei Mal auf die Seite gelegt haben. Wenn wir etwas später losfahren kommen wir gegen Mittag auf der Passhöhe an. Dann sollte die heute wieder scheinende Sonne hoffentlich den Schnee und das Eis geschmolzen haben. Hier unten in Bischkek auf 800 Metern Höhe ist es heute früh auch schon sehr frisch. Kaum auszudenken wie die Temperaturen auf über 3000 Metern sind. Bis zur Mautstation sind es etwa 90 Kilometer. Kurz davor ist noch ne Tanke wo wir nochmals auffüllen um über die Berge zu kommen. Zunächst führt die Fahrt etwa 35 Kilometer durch ein enges Tal immer leicht bergauf bevor der Anstieg zur Passhöhe erfolgt. Mit jedem Höhenmeter wird es kälter und mir faulen fast die Finger ab trotz Griffheizung. Nach 15 Kilometer biegen wir um die letzte Kehre zum Passtunnel ein dort wo vor vier Tagen noch Schnee lag. Aber heute haben wir Glück. Die Strecke ist weitestgehend trocken. Und auch das Schmelzwasser ist nicht angefroren. Links und rechts der Strecke ist alles schneebedeckt. Wir halten erstmal an und beglückwünschen uns gegenseitig. Der Schweizer Beni fühlt sich hier oben in den Bergen richtig beheimatet. Kein Wunder, Kirgistan wird auch als die Schweiz Zentralasiens bezeichnet. Es war die richtige Entscheidung heute den Pass zu überqueren. Jetzt noch schnell ein paar Fotos schießen und dann hoffen daß es auf der anderen Seite des Tunnels ähnlich gut aussieht. Auch hier ist die Straße frei und die kurze Abfahrt auf das Hochplateau welches ich vor vier Tagen schon durchfahren habe ist kein Problem. Fünfzig Kilometer weiter am Ende des Plateaus ist dann der lange, flache Anstieg zur zweiten Passhöhe, dem Ala-Bel. Die ist mit 3175 Metern sogar noch etwas höher als der Too-Ashuu, was man ihr nicht unbedingt ansieht. Aber auch hier ist es bitterkalt und wir halten nur kurz für Selfies. Anschließend eine nochmals gut 50 Kilometer lange Abfahrt nach Toktogul am gleichnamigen See das als Wasserreservoir dient. Diesmal bin ich penibel darauf bedacht nicht zu schnell zu fahren. Möchte nicht schon wieder endlose Diskussionen mit Max, dem Oberbullen führen. Von dem ist auch weit und breit nichts zu sehen. Der hat sein Geld für diesen Monat schon verdient. Untergekommen sind wir in Toktogul gleich am Ortseingang im Sezim Gästehaus.

 

 Tag 51 - Samstag, 07.10.2017 - Ruhetag in Toktogul

Daß wir gestern schon von Bischkek hierher gefahren sind bestätigt sich heute früh. Denn es hat in der Nacht zu regnen begonnen und regnet immer noch leicht. Trotzdem will Beni heute weiter nach Osch fahren. Obwohl der Wetterbericht für morgen schönes, sonniges Wetter vorausgesagt hat kann ich ihn nicht davon abbringen den Regen hier und heute auszusitzen. Und bis zum Treffpunkt an der chinesischen Grenze ist noch ne gute Woche Zeit. Außerdem hat Osch auch nicht wirklich viel zu bieten. Und so verabreden wir uns für übermorgen in Osch wieder. Denn ich bleibe noch nen Tag hier.
Das einzig halbwegs interessante hier ist der Bazar. Da kann man sich mal ne Stunde herumtreiben. Ich wollte eigentlich auch nochmal zum See runterlaufen. Allerdings ist der Weg so dreckig und morastig dass ich schnell davon abgekommen bin. Auch der Versuch den Halter für die Kamera wieder zu reparieren schlägt fehl. Habe keine Ersatzteile hier gefunden. Bleibt heute also nichts vernünftigeres zu tun als die Internetseite zu aktualisieren.

 

  Tag 52 - Sonntag, 08.10.2017 - Zurück nach Osch

Heute scheint die Sonne und die Temperaturen steigen im Laufe des Tages auf über 20 Grad. Abfahrt um 9:30 Uhr. Die Entscheidung erst heute zurück zu fahren war goldrichtig. Denn das Panorama um den Toktogul See ist weltklasse, vor allem bei Sonnenschein und stahlblauem Himmel. Also wie heute. Für die ersten 50 Kilometer um den See benötige ich anderthalb Stunden weil ich ständig anhalte um Fotos zu machen. Am südwestlichen Ende speist der See einen Fluss der 50 km weiter unten aufgestaut wird. Die Strecke nach Osch führt durch den Canyon in unzähligen Kurven immer am Stausee entlang. Ebenfalls in nicht zu überbietender Kulisse. Nicht nur wegen der überall möglichen Geschwndigkeitskontrollen sollte man vorsichtig fahren. Denn die Straße wird sehr oft von Tierherden blockiert. Schafe, Ziegen, Rinder und auch Pferdeherden werden auf der Hauptstraße getrieben. Immer dann wenn man einem einzelnen Reiter auf einem Pferd oder Esel begegnet der ne rote Fahne mit der Hand schwingt ist Vorsicht geboten. Spätestens 100 Meter hinter ihm läuft Getier auf der Straße. Und die treiben ihre Herden auch durch die nicht beleuchteten Tunnel durch. Die zweiten 200 km zurück nach Osch sind landschaftlich weniger interessant. Die Fahrt führt zumeist durch flaches Ackerland. Außerdem nimmt der Verkehr immer mehr zu je näher man an Osch kommt.
Auf diesem Streckenabschnitt lege ich eine Gedenkminute ein. Der Tacho zeigt 31587 km. Heißt für mich daß ich jetzt genau 10000 km seit Beginn der Fahrt zurückgelegt habe - JUBILÄUM !!! Und das unfallfrei aber leider nicht umfallfrei. Jemanden zu finden der ein Foto von mir schießt ist nicht schwierig. Denn immer wenn ich anhalte scharen sich die Leute um mich und fragen mich wo ich herkomme: "At-Kuda?" - "Germania".

 

Die letzten fünfzig Kilometer muss ich mich dann im Kolonnenverkehr wieder mit vielen rücksichtslosen, vollidiotischen Kirgisen im Straßenverkehr "herumschlagen". Ich wünschte ich hätte einen Raketenwerfer dabei. Den einen oder anderen hätte ich von der Straße geschossen. Die Sonne steht schon tief am Horizont als ich Osch erreiche. 400 km in Kirgistan fährt man nicht so einfach auf einer Arschbacke herubnter. In Osch kenne ich mich ja schon gut aus und so finde ich auch das TES-Hostel schnell wieder. Hat mir beim vorigen Mal schon gut gefallen hier.

 

  Tag 53 - Montag, 09.10.2017 - Wartungsarbeiten in Osch

Heute früh muss ich unbedingt mal das Vorderrad der Bayerin ausbauen. Habe so ein komisches Gefühl als ob die Radlager auch dort nicht mehr ganz in Ordnung sind. Beim herausschrauben der Steckachse knirscht es verdächtig. Da ist bestimmt noch der Wüstensand von Kasachstan und Usbekistan drin. Aber die Lager sind wohl noch in Ordnung. Jedenfalls beim Durchdrehen der Lager ist nichts zu spüren von wegen Abnutzung. Also Rad wieder rein und festschrauben. Dafür fehlt auf der rechten Seite unten am Kofferträger ne Schraube. Und die zweite ist auch schon loose. Der Halter des Kofferträgers musste wie schon so machnes Teil den Strßenverhältnissen Tribut zollen. Aber die fehlende Schraube habe ich dabei, also kein Problem. Jetzt kann ich auch mit den vielen Harley-Fahrern mitfühlen die alle 500 km wieder die Schrauben an ihrer Maschine nachziehen müssen. Meine BMW ist einfach nicht ausgelegt für das was man hier so als Straße bezeichnet. Visier reinigen und Kette reinigen und neu schmieren beenden den Wartungsvormittag.
Gegen Mittag laufe ich zum 200 m entfernten Hotel Osh-Nuru hoch. Dort hat sich Beni einquartiert. Schon auf dem Parkplatz sitzt er an seiner F800 um sich ebenfalls um die Kette zu kümmern. Die hängt für meine Begriffe jedoch sehr stark durch. Das Werkzeug zum Kette spannen haben wir für seine BMW nicht da. Also fahren wir in einen Stadtviertel wo es viele Werkstätten und Zubehörläden gibt. In einer der vielen Garagen leiht er sich das nötige Werkzug und die Kette wird wieder in Ordnung gebracht.
Für den Rest des Nachmittags schaue ich mal wieder in "meinem" Fitness-Center vorbei. Dort wo ich vorige Woche schon mal die alten Muckies trainiert habe. Nur hat heute die Sauna zu. Ist auch nicht unbedingt nötig denn draußen ist es frühlingshaft warm.

 

 Tag 54 - Dienstag, 10.10.2017 - Ausfahrt zum Papan Reservoir

Heute früh hat mich die Schweizerin Brigitte angechattet. Ich hatte sie und die Engländerin Yvonne bereits in Taschkent im Art Hostel getroffen. Die beiden sind auch für "Crossing China" eingebucht. Sie haben grade zusammen mit der Holländerin Meryl den Pamir Highway in Tadschikistan hinter sich gebracht und sind gestern Abend auch in Osch eingetroffen. So sieht man sich wieder um HALLO zu sagen im Eco-Hostel wo sie untergekommen sind.
Muss noch nen Satz zu den Kirgisen loswerden. Also das ist schon ein ungeduldiges Volk. Nicht nur auf der Straße will da jeder der erste sein. Auch sonst haben die keinen Anstand. War heute früh in der Bank am Geldautomat um noch ein paar Som herauszulassen. Vor mir stand schon ein Kirgise am Automat. Habe deshalb gebührend "nur" einen Meter Abstand gehalten und gewartet bis der fertig ist. Da drängt sich doch glatt ne ältere, dicke Kirgisin vor mich rein. Da musst ich dann doch mal laut werden und sie wieder zur Seite schieben, denn so geht's ja dann mal auch nicht. Hinten ist das Ende der Schlange, nicht vorne. Sprachlich hat sie ich nicht verstanden aber ich glaube akustisch schon.
Den ganzen Tag nur rumsitzen und Zeit totschlagen macht keinen Sinn zumal das Wetter wieder sehr schön ist. Also entferne ich die schweren Koffer von der Bayerin und mache zusammen mit Beni eine Spritztour zum Papan Reservoir. Wusste gar nicht, daß Motorradfahren ohne Gepäck so schön sein kann. Endlich mal nicht mehr als Lastesel durch die Gegend rollen. Das Papan Reservoir ist ein etwa 5 km großer See südlich von Osch. Der ist zwar bei weitem nicht so toll anzusehn wie der Toktogul See aber für ne Halbtagesetappe jederzeit lohnenswert.
Abends haben wir uns dann alle im "Ayday" Restaurant getroffen zum dinieren. Die haben sehr gute lokale Küche zu recht günstigen Preisen. Und ne Speisekarte mit Bildern was ungemein hilft. Es gab viel zu besprechen über das bisher erlebte. Und in meinem Hostel ist spätabends immer Kino angesagt. Die haben nen Beamer und irgend jemand der Gäste hat nen Video parat oder kennt gute Filme aus dem Internet. Den Kurzfilm "Dodo's Delight" von heute Nacht will ich nicht vorenthalten. Es geht um Kletterer in der Arktis:
Dodo's Delight Part 1       Dodo's Delight Part 2

 

Tag 55 - Mittwoch, 11.10.2017 - Warten auf China

Unsere Einreise nach China mit der "Crossing China" Gruppe ist erst am Sonntag. Also noch etwas Zeit. Und vier Tage in Sary-Tash auf 3100 Meter Höhe verbringen muss auch nicht sein. Also heute und morgen noch 2 Tage in Osch absitzen. Gibt mir die Gelegenheit heute nach dem Frühstück mal ne Runde unten am Fluss zu laufen um die alten Glieder in Bewegung zu halten. Die Straße auf der Flussseite des TES-Hostels ist keine Durchgangsstraße und endet in einem kleinen Vergnügungspark. Ist also bestens dafür geeignet. Anschließend Wäsche waschen und zum x-ten Mal den Halter der Action Cam reparieren. Jetzt fehlt mir nur noch eine 8er Bohrung für die stärkere Befestigungsschraube. Im Hostel haben sie natürlich keine Bohrmaschine. Und so mache ich mich wieder auf den Weg zu den Autowerkstätten. Irgendeine hat tatsächle ne elektrische Bohrmaschine aber halt nur einen 6er Bohrer. Aber mit viel Wille und Geduld schaffen die Kirgisen es dann doch mit diesem das Loch auf 8mm aufzubohren.
Beni und die Frauen wandern heute auf den heiligen Stadthügel, den Suleiman-Berg um diesen und die Umgebung zu bewundern. Das habe ich schon bei meinem ersten Besuch vor 10 Tagen gemacht. Muss ich nicht nochmal hoch. Wir treffen uns anschließend im Brio-Cafe um den Nachmittag totzuschlagen. Auch das gelingt ganz gut. Ein älterer Schweizer wohnt derzeit auch im Eco-Hostel dort wo die Frauen abgestiegen sind. Der ist schon jahrzehntelang immer wieder hier unterwegs und kennt sich bestens aus. Natürlich kennt er auch ein gutes und günstiges Restaurant ganz in der Nähe. Da bekommt man super BBQ, Fleisch jeglicher Gattung, ausgenommen Schwein natürlich.

 

Tag 56 - Donnerstag, 12.10.2017 - Wiedersehen mit Simon und Deveena

Auch heute früh gibt es nicht wirklich viel zu tun hier - immer noch Warten auf die Fahrt Richtung China. Weil es gestern so schön war mit dem Joggen am Flussufer kann es nicht schaden dasselbe heute früh nochmals zu machen. Als ich gegen Mittag wieder am Hostel eintreffe fährt grade ein weißer Van auf den Parkplatz. Den kenne ich doch irgendwoher. Richtig! Der gehört den beiden Engländern Simon und Deveena die ich schon im Art Hostel in Taschkent getroffen habe. Die sind grade über Sary-Tash von Tadschikistan angekommen und warten auch auf's Wochenende für den Reisebeginn nach China.
Auch das Auto von Brigitte und Yvonne ist heute fertig repariert worden und die beiden können es von der Werkstatt abholen. Im nun schon obligatorischen Stammcafe "Brio" trifft man sich täglich zur Lagebesprechung. So auch heute.

 

Tag 57 - Freitag, 13.10.2017 - In Osch, um Osch und um Osch herum

Heute ist vermutlich der letzte Tag in Osch. Morgen wollen wir Richtung Sary-Tash in den Bergen südlich von hier aufbrechen um dort noch zwei Nächte zu bleiben bevor dann die spannende Fahrt zur chinesischen Grenze nach Irkeshtam erfolgt. Wie schon die ganze Woche ist es auch heute wieder sommerlich warm (gut so). Und nur herumsitzen in der Sonne muss man auch nicht den ganzen Tag. Also mache ich mit Beni ne Spritztour Richtung Westen zur usbekischen Grenze. Irgendwann stehen wir vor dem Grenzzaun und tauschen Blicke mit den usbekischen Soldaten die auf der anderen Seite patroullieren. Wenn's nach Westen nicht mehr weitergeht dann nehmen wir halt ne gut ausgebaute Stichstraße nach Süden. Offroad wollen wir heute nicht mehr fahren, nur keine Panne mehr riskieren vor der Chinareise. Überall wo wir anhalten zum Fotografieren und Rauchen (Beni) scharen sich Einheimische um uns. An einer Kreuzung an der wir umdrehen weil es nur noch unbefestigt weitergeht hält ein 20 Jahre alter AMG-Mercedes an und zwei Kirgisen steigen aus. Einer der beiden ist gut angetrunken (natürlich der Fahrer), der andere spricht sogar etwas englisch. Wir verstehen uns sofort gut und schließen Freundschaft. Es stellt sich heraus daß die beiden früher gemeinsam in der Sovjet-Armee gedient haben und im Einsatz in Afghanistan waren. Der betrunkene Fahrer möchte gerne seinen AMG gegen mein Motorrad tauschen. Selbst wenn ich das wollte, mit seinem AMG lassen die mich nicht nach China rein. Noch ein paar Fotos und wir fahren weiter in ein Dorf um an einem kleinen Supermarkt zu rasten. Es dauert keine Viertelstunde da stehen wieder 10-15 Leute um uns herum, nur Männer. Alle wollen wissen wo wir her sind und was die Motorräder so kosten. Ein paar bestehen sogar darauf sich auf die Maschinen zu setzen um Fotos zu schießen. Also stellen wir die Mopeds auf die Hauptständer damit die nicht umfallen können. Immer mehr Leute kommen und nach ner halben Stunde wird es uns fast zu viel. Also sagen wir höflich "Daswidanja" und fahren wieder zurück nach Osch. Und so endet ein weiterer uspektakulärer Tag hier. Am Abend trifft auch noch ein weiterer "Crossing China" Teilnehmer, der Engländer Tamer mit seiner BMW GS 1200, im TES-Guesthouse ein. Der hat ne wahre Odysse über das Kaspische Meer hinter sich, hat's aber doch noch rechtzeitig geschafft hier einzutreffen. Er war vor zwei Wochen praktisch schon hier, musste aber im Iran vor der Grenze nach Turkmenistan wieder umdrehen weil ihn die Turkmenen nicht reingelassen haben.

 

Tag 58 - Samstag, 14.10.2017 - Von Osch nach Sary-Tasch

Jetzt waren wir wirklich lange genug in Osch und es sind nur noch zwei Tage bis wir an der Grenze zu China in Irkeschtam sein müssen. Brigitte & Yvonne im Nissan Santa Fe, sowie Beni und ich fahren heute umm 11 Uhr los nach Sary-Tasch, der letzten größeren Ortschaft vor der Grenze. Es sind zwar nur knapp 200 km zu fahren dafür geht es wieder in die Berge. Zunächst jedoch etwa 100 km Richtung Süden auf der M41 bevor es in die Alai-Berge geht. Die Höhe des Passes dessen Name ich nicht weiß ist 3550 Meter und damit der bislang höchste auf meiner Reise. Oben ist es richtig kalt aber die Straße ist trocken und die Pfützen nicht gefroren. Ringsum alles schneebedeckt. Sehr viel weiter hinunter geht es nach dem Pass nicht denn Sary-Tasch liegt in einem Hochtal auf 3170 Metern und hat etwa 1500 Einwohner. Der Ortsname bedeutet "Gelber Stein". Sary-Tasch liegt an einer Kreuzung von wo aus es Richtung China (Osten), in den Pamir (Süden), Richtung Dushanbe (Westen) und natürlich nach Norden zu Osch geht wo wir herkommen. Von hier aus hat man einen imposanten Anblick auf die mächtigen Gipfel des Pamir-Gebirges. Dessen höchster, der Pik Lenin ist über 7100 Meter hoch und liegt an der Grenze von Kirgistan zu Tadschikistan. Leider sieht man den nicht von hier. Der ist etwa 50 km entfernt. Wir überlegen uns evtl. morgen dorthin zu fahren da wir noch einen Tag Zeit haben. Auch der Pamir-Highway von Tadschikistan kommend endet hier. Untergekommen sind wir hier im Gästehaus Akun. Hier ist alles sehr spartanisch eingerichtet. Kalte Dusche und Plumpsklo außerhalb, und das bei Minusgraden. Aber richtig moderne Unterkünfte gibt es hier nicht. Die Hostels sehen alle gleich aus. Heute ist es richtig kalt hier. Ein eisiger Wind pfeift durch die Ortschaft. Die Zimmer sind mit Elektroöfen etwas beheizt und man bringt uns dicke Decken damit wir heute Nacht bei 10 Grad Minus außerhalb nicht einfrieren. Das Akun-Gästehaus hat auch ein kleines Restaurant in dem sich abends das halbe Dorf trifft. Außerdem schauen viele LKW-Fahrer auf der Durchfahrt mal rein. Für Übernachtung mit Frühstück und Abendessen gibt's hier für 800 Som, umgerechnet 10 Euro. Und in der Kneipe haben die sogar funktionierendes WLAN mit ordentlicher Geschwindigkeit.

 

Tag 59 - Sonntag, 15.10.2017 - Von Sary-Tasch nach Nura

Bei der Eiseskälte hier überlegt man sich nen Toilettengang außerhalb mindestens zweimal. Und morgen früh sollten wir um 7 Uhr wegfahren damit wir rechtzeitig an der Grenze zu China ankommen. Deshalb die Überlegung schon heute nach Irkeshtam zu fahren und die letzte Nacht in Kirgistan dort zu verbringen. Außerdem hat die Grenze vormittags nur von 9-11 Uhr offen. Diesen Zeitslot sollten wir nicht verpassen. Das Problem ist nur, daß es in Irkeshtam als Unterkünfte wohl nur Bauwagen gibt. Und wie die beheizt sind oder überhaupt zur Verfügung stehen ist ungewiß. Und wie es dort mit Verpflegung aussieht wissen wir auch nicht. Aus dem Internet ist einfach nicht mehr zu erfahren. Aber es sind nur 71 km bis dorthin und wir könnten ggf. wieder umdrehen und hier noch ne Nacht verbringen. Beni hat sich den Magen verdorben und bleibt lieber erstmal hier. Will später nachfahren. An der einzigen Tankstelle im Ort an der einzigen Kreuzung machen wir die Tanks nochmal voll. Ich fülle zusätzlich noch nen 5-Liter Kanister denn bis Kashgar in China kommt vielleicht keine Tanke mehr und das sind mehr als 300 km. Auch decken wir uns noch mit Fressalien und Wasser ein im einzigen Tante-Emma-Laden hier. Punkt 12 Uhr fahren wir los, immer Richtung Osten auf dem Hochplateau entlang. Ich kann den Blick kaum nach vorne auf die Straße  richten sondern muss immer nach rechts auf das Wahnsinnspanorama des schneebedeckten Pamir-Gebirges richten an dem wir entlang fahren. Immer wieder mal halten wir an um Fotos zu machen. Die Straße ist über die komplette Länge praktisch leer. Denn heute ist Sonntag und da hat die Grenze zu, also fahren auch keine LKW's. Einen richtigen Pass müssen wir nicht überqueren nur eine Anhöhe auf der es recht kalt ist. Die Straße ist frei, aber ringsum alles weiß. In dieser Höhe fühlt sich die Bayerin nicht besonders wohl. Die dünne Luft macht nicht nur ihr zur schaffen. Ächzend erklimmt sie jeden Berg. Etwas später in der Talabfahrt dann ein Zwanghalt wegen eines Checkpoints. Der kirgisische Beamte schaut die Pässe genau an, hat aber nichts zu bemängeln und sein Kollege öffnet den Schlagbaum. Sechs Kilometer vor Irkeshtam ist noch ne größere Ortschaft, Nura. Von der wussten wir bislang noch nichts. Und da gibt's auch Gästehäuser zum Übernachten. Das "NUR" Guesthouse ist schon an der Hauptstraße angeschrieben, es zu finden kein Problem. Wir sind die einzigen Gäste hier. Beni fangen wir wenig später auf der Straße ab, denn telefonisch haben wir ihn nicht mehr erreicht. Obwohl Nura bestimmt auch auf ca. 3000 Meter Höhe liegt wärmt die Sonne uns hier im Innenhof der Herberge gut auf. Ich spiele noch ne halbe Stunde Fussball mit den Kids hier. Da bin ich ne echte  Attraktion - passiert mir sonst nirgends. Wie auch in Sary-Tash ist das Toiletten-Häuschen hier außerhalb und halt ein Plumpsklo mit nem Loch im Boden. Duschen gibt's natürlich auch nicht. Nen Eimer heißes Wasser mit ner Schöpfkelle hat man mir gebracht. Aber einen Verschlag in dem man sich mal ruhig "nackt" waschen kann ist auch nicht vorhanden. Ein Duschhäuschen wollen sie erst nächstes Jahr bauen. Dann stehe ich halt hinters Haus wo mich (hoffentlich) keiner beobachtet. Immerhin sind das hier alles strenggläubige Muslime. Sprich Bier oder Vodka ist heute auch nicht. Dafür sitzen wir am Abend gemütlich in der mit Kohle beheizten Küche der Gastfamilie. Gekocht wird hier noch auf einem kleinen Kohleofen. Das Essen schmeckt jedoch hervorragend. Es gibt Nudeleintopf mit Gemüse und Fleisch. Dazu das überall hier übliche Fladenbrot und grüner Tee.

 

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